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Die lange Auszeit im Kloster, aber auch zuhause ist um. Sie hat viel bewegt. Fast 14 Tage am Stück ging dieses Experiment Schweigen und stundenlange Dauermeditation bis in den späten Abend. Es wurde sehr viel ausgelöst. Wut, Trauer, Enttäuschung, neuer Mut? Vielleicht kommt der ja noch. Ich warte noch darauf.

Nun bin ich wieder zuhause. Die Töne des Alltags, die vielen Geräusche sind plötzlich anstrengend. Die Menschen um mich wirken laut und angetrieben. Alles ist so ganz anders – bunt, laut, aufdringlich.
Und ich denke. Zwangsläufig beschäftigt man sich im Schweigen mit sich und den Gedanken, die einen durchziehen. Ich bezweifle, dass nach einer langen Auszeit dieser Art in der Stille alles so weitergeht wie bisher, im Beruf, im Alltag, im Leben.

Noch immer bin ich am Sortieren

Eigene Rollen, die Präsenz anderer Menschen, Glaubenssätze werden plötzlich hinterfragt. Alles ist plötzlich nicht mehr wie es vorher war. So komme ich ins Grübeln, über mich und die Welt. Es entstand dieser Text.

Die narzisstische Gesellschaft – eine Bedrohung unserer Zeit?

Wir leben in einer umtriebigen Zeit. Prof. Hüther und viele andere Wissenschaftler sprechen inzwischen von einer regelrecht „narzisstischen Gesellschaft“ und unguten Entwicklungen, die immer mehr zur „Nabelschau“, hohen Eigenumdrehungen und dem Versiegen sozialer Kompetenzen führen.

Noch nie war ein „Gemeinsam“ wichtiger, als in der momentanen Zeit. Noch nie war aber auch Egozentrik und selbstverherrlichende Selbstdarstellung größer. Vergeblich schaut man heute nach Vorbildern, echten, wahrhaften Führungsgrößen, Leuten, die voran gehen, für die Menschlichkeit und Verantwortung nicht nur dahingesagte Worte sind.

Ich möchte hier nicht fachsimpeln über die Gefahren narzisstischer Persönlichkeitsprofile in Führungsebenen und politischen Ämtern, Feuerwerksveranstaltungen auf öffentlichen Bühnen, aber auch den turbulenten Selbstdarstellern in der Social-Media-Szene.

Dennoch sollte man wissen: Menschen mit pathologischer narzisstischer Persönlichkeitsstörung fehlt es leider meist an Empathie, dem Mitgefühl für Menschen und vor allem Kritikfähigkeit. Eine gefährliche Mischung.

Auf Einsicht, Nachsicht, Rücksicht kann man lange hoffen. Aus psychologischer Sicht gelten Vertreter dieser Zunft meist als „untherapierbar“.

Nun kann man sagen: „jedem Tierchen, sein Pläsierchen“. Eine gewisse Portion Toleranz wäre schließlich unabdingbar für ein gesellschaftliches Miteinander.
Dennoch, die Sache gewinnt an Bedrohlichkeit, wenn in den „ersten Reihen“, dort wo entschieden, geführt und gelenkt wird, immer mehr von dieser Spezies der Uneinsichtigen zu finden sind.

„Der Narzissmus liegt allen schweren psychischen Erkrankungen zugrunde.“ – Erich Fromm, Die Kraft der Liebe

Brauchen wir neue Leitfiguren?

Ich bin nun schon seit über zwei Jahrzehnten im Training von Führungspersonal aus Politik, Wirtschaft und Industrie unterwegs. Einblicke in Führungssysteme gehören zu meinem Tagesgeschäft. Vielen Persönlichkeiten bin ich da begegnet. Teils haben sich bis heute Freundschaften erhalten und ich zolle manch einem meinen größten Respekt. Dennoch macht auch vieles traurig. Oft entsteht der Eindruck, dass mit wachsendem Einfluss und Macht leider der Fokus auf das Wohl der Menschen verloren geht.

Ungute gesellschaftspolitische Entwicklungen schreiten voran. Ethik, Loyalität, Wahrhaftigkeit scheinen keine großen Werte mehr zu sein. Meine Einschätzung: Es braucht baldmöglichst einer neuen Generation von Leitfiguren, Persönlichkeiten, die sich auf alte Werte des gemeinsamen Tuns, ethischer Grundsätze und zwischenmenschlicher sozialer Grundpfeiler rückbesinnen.

Durch meine wachsende Bekanntheit auf meinem YouTube-Kanal und Social-Media, erreichen mich immer mehr Nachrichten, Mails, Kommentare. Immer wieder artikulieren die Menschen ihre große Hoffnung auf ehrlichen Austausch, Menschlichkeit und Rückbesinnung auf Grundwerte. Sie betonen, dass man in Gesellschaft, Politik und Wirtschaft neue Wege gehen müsse. Es dürfe nicht länger um aufgeblähte Egozentrik, narzisstische Selbstdarstellung, Macht- und Kontrollgelüste über andere gehen. Viele sind es leid, ununterbrochen in den Medien den brillanten Zauberstückchen selbsternannter Gurus zu folgen oder den medienwirksamen Inszenierungen in Politik und Wirtschaft.

„Macht und Geld verderbe den Charakter“, sagt man. Immer häufiger kann ich mich des Eindrucks kaum erwehren.

Es liegt an uns, ob wir authentisch sichtbarer werden wollen

So wie es das wachsende Phänomen der Darstellungs-Künstler gibt, gibt es andererseits auch viele Menschen, die von Idealen oder ethischen Werten angetrieben sind. Allein man sieht und hört sie oft nicht. Aus falscher Bescheidenheit oder auch aus einem inneren Zögern und Zweifeln heraus, ob nicht die anderen „Leuchtgestalten“ geeigneter für die Bühne und die Öffentlichkeit sind.
Schade, gerade dieser Leute bräuchte es heute gesellschaftlich.

Gerade sie dürften sich unerschrockener dazu entscheiden, sichtbarer zu werden, stärker, unerschütterlicher in ihrem Wirken. Nicht durch Kampf um Aufsehen, aggressives Gebaren für den Applaus, sondern im mutigen Vorleben, Stärker-Werden, Aufrecht-Gehen, beispielhaftem Voranschreiten in Respekt vor dem Gegenüber.

Viele Menschen haben es satt, von Blendern, rhetorischen Feuerwerkern, „Performern“ und Leuten in kontinuierlicher „Selbstumdrehung“ unterhalten zu werden. Ihre Daseins-Berechtigung beginnt sich im kritischen Hinterfragen der Menschen stückweise aufzulösen. Es scheint, dass im Stillen eine tiefe Sehnsucht der Menschen nach Echtheit erwacht ist, nach Verlässlichkeit, Anerkennung und gegenseitiger Achtung. Eine stille Revolution, ein Wirken ohne Aufsehen zu erregen.

„Man kann einen narzisstischen Menschen daran erkennen, dass er äußerst empfindlich auf jede Kritik reagiert.“ – Erich Fromm, Seele des Menschen

Auch ich will dieses Jahr Neues beginnen. Ich will Altes, Überlebtes oder Dinge, die mit meinem ethischen Empfinden und zwischenmenschlichen Werten nicht mehr im Einklang sind, loslassen.
Vielleicht schaffe ich es und kann in Verantwortung und Behutsamkeit beruflich, gesellschaftlich mehr und engagierter bewegen. Ich will meine Kräfte vermehrt einsetzen für Menschen, die es verdienen mit Projekten, Ideen, Werten und Wissen gefördert zu werden und nach vorne zu treten. Ihr Platz möge dort sein, wo Meinungsbildung und Entscheidungen getroffen werden. Ich werde mehr und mehr Abstand davon nehmen, „Steigbügelhalter“ für Menschen zu sein, denen Status, Macht und pekuniäre Gründe die wichtigsten Werte scheinen. Was aus meinem Vorhaben wird, ich werde sehen. Aber ich bin optimistisch. Bin ich doch stiller Verfechter, der Auffassung, dass Dinge ihren Weg gehen ohne, dass es manchmal großen eigenen Zutuns bedarf.

Leben ist kein Kampf um den naheliegenden Erfolg

Leben scheint mir inzwischen nicht mehr der große Kampf, für den ich es früher erachtete. Eher ist es ein stilles, wie auf einem Fluss Dahintreiben, in Konzentration und Achtsamkeit. Zukunft entsteht aus dem stillen Wahrnehmen der Dinge, die das Leben bereithält. Höchste Aufgabe ist es, diese Gaben sinnvoll zu nutzen in jenem genauen Moment, in dem diese sich dir zu Verfügung stellt.