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„Man kann Äpfel nicht mit Birnen vergleichen“, hat meine Mutter früher immer zu mir gesagt. Das hört sich ganz nett an, aber ich habe nie groß drüber nachgedacht. Es hatte keine Bedeutung für mich, damals zumindest. Heute umso mehr. Ich bewege mich im Netz, genauer gesagt in Social-Media, bin YouTuber, schreibe Texte, die im Netz herumschwirren. Früher oder später landen viele Trainer und Beraterleute hier. Man muss schließlich mit der Zeit gehen, denkt man – und man erreicht Leute.

Doch was ist das für ein eigener Ort? Da findet man sie nun, die vielen Gestalten in der virtuellen Welt: Berater, Verkäufer. Gurus, Erleuchtete oder weniger Erleuchtete, Trainer, Coaches, „Fast-alles-Könner“ oder auch „Weniger-Könner“. Da werkeln sie denn alle herum, bauen ihre „Früchte“ an in den medialen Wäldern der Birnen-, Äpfel-, Nuss-, Kastanien- und Sonstwas-Plantagen. Hier, auf dem buntesten virtuellen Marktplatz der Begehrlichkeiten gilt es sein Obst an den Mann und die Frau zu bringen.

Nun, so ein exotischer MISCHWALD sollte so schlecht nicht sein, finden seine Früchte doch Abnehmer genug in der Buntheit der Geschmäcker und Begehrlichkeiten. Nur Monokultur schafft Konkurrenz und lockt Schädlinge ins Paradies. Und so streift fröhlich der mediale Waldbesucher, der brav mit dem Einkaufskorb nach Früchten und Erkenntnissen sucht, durch das Geäst, – nichts Böses ahnend.

Nun scheint es aber die Eigenart der bunten Baumgenossen zu sein, aufgeregten Auges den Blick schweifen zu lassen, – zum Nachbarn oder Nach-Nachbarn. Beäugt wird, welch große Zwetschgen, Eicheln, Äpfel oder sonstiges Fruchtzeug da an Ästen baumelt. Scheinen diese Gewächse doch oft edler, größer, attraktiver, röter, zumindest stattlicher als die eigenen.

Und so machen denn alle „lange geschäftige Hälse“, um Geschäfte zu machen, präsentieren aufgeregte Baumkronen, wedeln nervös mit den Blättern, dass man sie sehen möge und ihre Ware kaufen. Und doch, als hätten sie nicht genug zu tun, widmen sich gleichzeitig der Bauplanerkundung jener Riesen-Birne nebenan. Studiert wird eifrig die Architektur der glänzend-roten Atomic-Kirsche oder der Formenprallheit der Monster-Apfelsorte, keine sieben Meter weiter.

So scheint es, dass alle viel Zeit damit verbringen Strategien der „Nachbarn“ zu erkunden. Nacheifern will so mancher, was er erstaunten Auges nebenan erblickt. Sie dehnen sich und strecken sich. Sie ziehen sich aus Pflaumenform zur scheinbar fruchtigeren Kirsche, aus Eicheln blähen sich echte, „harten Nüsse“, Äpfel mühen sich, mit zäher Dehnung in das Gerten-Schlanksein einer Birne.

Was soll ich sagen, – ein recht quirliges Treiben. Bunt anzusehen und recht lebendig. Doch macht es stutzig, verfehlt doch dadurch mancher seine wahre Form.
In all dem Getümmel, so schön, so groß, so stark, so elegant zu sein wie der, der einem vor der Nase sitzt, vergisst sich mancher selbst, so scheint’s. Verloren nach und nach ist da die Form, die schöne, wahre, echte.

Seltsam anmutend, in wirren, verrenkten Formen, hängt das Obst an seinen Bäumen. Das Lächeln, die gute Laune entschwindet mehr und mehr, weil Anstrengung in die Glieder fährt, und ins Gesicht. Das stete Schauen, Biegen, Dehnen, Strecken nach fremden Mustern ermüdet schnell und gründlich.

Was für ein seltsamer Wald, ein Garten der exotischen Gewächse, eins schöner einst als das andere, verwächst sich zum Brei der Ähnlichkeiten. Ein Paradies verfilzt sich dicht zum Dschungel, in dem das Licht ermüdet hängen bleibt.

Kein Apfel ist ein Apfel mehr und keine Nuss erkennt sich mehr am Aussehen. Verärgert schaut die Frucht an sich herunter und wundert sich.
Verpasste Form? Berufung – knapp daneben? Weil man die Sicht verlor, – auf sich und seine kleinen Wunder?

Wer kann es sagen? – Vielleicht ist es der Ruf der Zeit, dass jeder alles werden will – Apfel, Birne, Nuss zugleich. Im Supermarkt schmeckt ja auch die Gurke heut wie die Tomate und diese wie Radieschen nebenan. Nur dem Kenner bleibt die Wahrheit. Mit kurzem Biss prüft er sehr schnell und schmeckt das Original!

Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit.

Søren Kierkegaard